Es ist die einzigartige Geschichte der „Sacra di San Michele” (Heiligtum des Heiligen Michael), die auf einem felsigen Berggipfel errichtet wurde, an der Grenze zwischen Alpen und Ebene. Im Piemont gibt es einen Ort, den man nicht erwartet. Ein magischer und surrealer Ort, mysteriös und märchenhaft, der uns ins Mittelalter entführt.
@christian.guerra_
Die Gesetze der Physik und der Gravitation scheinen außer Kraft gesetzt, die Abtei San Michele wurde am Eingang des Susatals im X. Jahrhundert errichtet, und zwar am Abgrund auf dem Gipfel des Bergs Pirchiriano. Der Eindruck, den dieses antike Kloster beim Besucher hinterlässt, ist wahrlich erstaunlich: Schon von weitem erscheint das Gebäude in all seiner alleinigen Ansehnlichkeit, voller Spiritualität und faszinierend für seine tausende alte Geschichte.
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Das Heiligtum ist dem Erzengel Michael gewidmet, Verteidiger des christlichen Volkes, und gehört zu einem über 2000 km langen Pilgerweg, der vom Mont Saint-Michel in Frankreich bis zum Monte Sant’Angelo in Apulien führt. Seine Schaffung geht auf eine Person zurück, die nach einer eher schwierigen Vergangenheit nach Italien kam, um Erlösung zu suchen: Es war der Graf Hugo von Montboissier, ein Reicher und Adliger aus Auvergne. Er kam nach Rom, um den Papst um Nachsicht zu bitten und er bekam als Buße die Wahl zwischen einem siebenjährigen Exil und der Errichtung einer Abtei. Und so begannen Ende 900 die Arbeiten für den Bau des Klosters, das dann fünf Benediktinermönchen anvertraut wurde und bald eine wichtige Station für Pilger wurde, vor allem aus höheren sozialen Klassen und somit fast ein internationales kulturelles Zentrum.
Mir geht die Musik der Carmina Burana durch den Kopf, als ich die Scalone dei Morti (Totentreppe) hinauf und durch das Portale dello Zodiaco (Tierkreiszeichen-Portal) gehe, und dabei die Hauptfassade bestaune, die mehr als 40 Meter hoch ist. Ich entdecke Kapitelle mit symbolischen Figuren und Säulenfundamente, die mit Greifen dekoriert sind. Unheimliche Figuren, die aus mittelalterlichen Legenden stammen, scheinen mich zu beobachten: Frauen, die Schlangen die Brust geben, Schwanzlurchen und Teufel, biblische Figuren, die mit esoterischen Symbolen vermischt sind.
Und da sind auch noch die vielen Legenden um die heilige Stätte selbst: Man erzählt zum Beispiel, dass eine junge Frau namens Alda auf der Flucht vor Soldaten von einem Turm sprang und von zwei Engeln gerettet wurde und vollkommen unverletzt zu Boden kam. Alda glaubte niemand und so versuchte sie es erneut. Dieses Mal aber halfen die Engel ihr nicht als Strafe für ihren Hochmut und sie starb.
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Drama und Askese, Geschichte und Legenden, Gegenwart und Vergangenheit vereinen sich in diesem wunderbaren Ort. Die Faszination des Heiligtums ist sicher unglaublich, voller Mystik, vor allem wenn das Kloster im Nebel des Tals, am Abend im Mondlicht oder verschneit in den harten Wintern erscheint.