Es scheint als liefe man im Paradies umher, hier auf den kleinen Wegen des Sacro Monte zwischen den mit Fresken geschmückten Kapellen und den herrlichen Pflanzen des Parks.
Es gibt Ecken, wo sich die Seele zu Hause fühlt, wo man alles vergisst und die Zeit stillsteht. Einer dieser magischen Orte ist der Sacro Monte, der Heilige Berg von Orta, wo man die Ruhe der Natur, das durch die Blätter der Bäume scheinende Sonnenlicht und die Gediegenheit der Franziskanermönche auf sich wirken lassen kann.
Als sein Bau auf dem Gipfel des Hügels über Orta entschieden wurde, waren die Zeiten wesentlich schlechter: Die Lutherreform war ein massiver Einschnitt für die christliche Welt und die römisch-katholische Kirche versuchte ihre Anhänger zurück zu gewinnen. Zu diesem Zweck entstanden Kunstwerke, die auch der religiösen Bildung dienten. Für den Sacro Monte in Orta wurde der Heilige Franziskus als Hauptfigur ausgewählt, dem die 20 Kapellen gewidmet sind. In Innern der Kapellen befinden sich 376 Statuen aus Terrakotta in Lebensgröße, die das Leben und die Wunder des Heiligen aus Assisi darstellen: Von der von einem Engel angekündigten Empfängnis bis zur Geburt in einem Stall, von der Wahl in Armut zu leben bis zu den Versuchungen des Dämonen, über die zahlreichen Wunder, die er vollbracht hat.
Die Bauarbeiten begannen 1590 im Wald „San Nicolao”, wo bereits eine romanische Kirche stand, und sie zogen sich über eine sehr lange Zeit bis 1788 hinaus. Verschiedene Stile kamen zusammen: eleganter und schlichter Renaissancestil, üppiger Barockstil und dann Rokoko und Neoklassik. Das ursprüngliche Projekt wurde dem Kapuzinerpater Cleto aus Castelletto Ticino anvertraut, und die Arbeiten wurden rigoros von Bischof Bescapè kontrolliert, einem hartnäckigen Vertreter der Gegenreform.
Aber da ist nicht nur die Schönheit der Kunstwerke in den Kapellen, auch die Natur hat einiges zu bieten: Der Andachtsweg wurde von Anfang an in Einklang mit der umgebenden Landschaft geplant, heute ein 13 Hektar großes Naturreservat. Von der Altstadt Ortas führt ein von Hainbuchen gesäumter Weg zum Torbogen am Eingang des Sacro Monte. Hier spaziert man von Kapelle zu Kapelle in einem Park mit Buchen, Linden und Eichen. Hecken und Sträucher aus Buchsbäumen und Stechpalmen schaffen Schatten für die Pilger. Dann plötzlich öffnet sich der Blick auf den See, eine herrliche Aussicht…
Die Szenerie des Sacro Monte schenkt seit Generationen Verliebten romantische Stunden. Eine der bekanntesten Geschichten dreht sich um den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche, der während seiner Reise durch Italien in Orta Halt machte um die junge und faszinierende russische Intellektuelle Lou Andreas Salomè zu sehen und um ihre Hand anhielt. Während eines Spaziergangs auf dem Sacro Monte genossen die beiden lange Stunden zu zweit, vielleicht kam es sogar zu einem Kuss… Sicher ist, dass der Autor von Zarathustra bis zu seinem Tod Erinnerungen aus dieser Zeit aufhob: ein Blatt, eine Skizze auf Papier und einen Zettel mit einem Versprechen.
Der Sacro Monte ist ein gut versteckter Schatz, der häufig unterschätzt wird. Dabei gibt es hier viel zu bestaunen, aber vor allem viel Ruhe und Frieden.